Der Deutsche Werkbund e. V. (DWB) wurde am 6. Oktober 1907 als wirtschaftskulturelle „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“ auf Anregung von Hermann Muthesius, dem Heilbronner Politiker Friedrich Naumann und Henry van de Velde in Münchengegründet. Sein Sitz ist in Darmstadt. Der Verein zielte auf eine „Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen“. Er setzte damit die schon bestehenden Ansätze der von John Ruskin inspirierten Reformbewegungen fort.
Unter Berufung auf einen moralisch fundierten Qualitätsbegriff suchte man eine neue Warenästhetik für die kunstgewerbliche Industrieproduktion zu etablieren, die sich bislang überwiegend mit Kopien und Adaptionen der alten handwerklichen Formvorbilder mit ihrer oft reichen Ornamentik begnügt hatte. Laut dem Kunsthistoriker Christian Demand baute „die ästhetische Bildungsagenda des […] Werkbunds […] auf die unmittelbare Überzeugungskraft von Begriffen wie Material-, Form- und Werkgerechtigkeit“.[1]Zentrales Anliegen war die Suche nach einer neuen durch „Zweck“, „Material“ und „Konstruktion“ bedingten Formgebung (auch als „Form follows function“ bekannt), die man auch als „Sachlichkeit“ bezeichnete – und die in den 1920er Jahren dann unter dem Topos „Neue Sachlichkeit“ erneut thematisiert werden sollte.
Diese Forderung nach einer technisch wie ästhetisch hochwertigen Qualitätsproduktion wurde in einen programmatischen Gegensatz gesetzt zu einer scheinbar nur am Profit orientierten bisherigen Praxis des industrialisierten Kunstgewerbes.Um dem in diesem Zusammenhang beklagten Qualitätsverfall des Kunstgewerbes entgegenzuwirken, sollte nun eine den spezifischen Bedingungen der maschinellen Produktion adäquate Gestaltungsweise entwickelt werden, die sich insbesondere durch Ornamentlosigkeit und Schlichtheit der Formen auszeichnete. In den zahlreichen Publikationen und Ausstellungen des Werkbundes sollte dieser neuen Ästhetik durch beispielhafte Formgestaltungen von Gebrauchsgegenständen bei Konsumenten und Herstellern zugleich zu größerer Popularität verholfen werden.
Außerdem hoffte man unter dem expansiven Motto Vom Sofakissen zum Städtebau auch weit über die Industrieproduktion hinaus für die ganze Welt der alltäglichen Gebrauchsgegenstände einschließlich der Architektur einen damals sogenannten „modernen Stil unserer Zeit“ von epochaler Dauerhaftigkeit etablieren zu können. Im Hintergrund stand dabei die berühmte Prognose Gottfried Sempers, dass der Neuanfang in der Architektur nur vom Kunstgewerbe und den Kunstindustrien ausgehen könne. Entsprechend richtete man hinsichtlich der Verbreitung der neuen Formen besondere Erwartungen an die marktbeherrschenden Kräfte der industriellen Massenproduktion und wünschte schließlich auf diesem Wege auch eine Art „Geschmackskartell“ aufzubauen (siehe dazu die Rede von Hermann Muthesius auf der Kölner Werkbundausstellung1914). Wobei es aber bei der Kölner Ausstellung zu einem Richtungsstreit zwischen den Vertretern der Typisierung (Muthesius) und denen des Individualismus (van de Velde) kam (sg. Typisierungsdebatte).[2]
Zu den angesehensten Kritikern des Bundes gehörten Adolf Loos und Werner Sombart, wobei Loos den künstlerischen Anspruch des Vereins angriff und betonte, dass nur der unbedingte Funktionalismus zur Herausbildung zeitgemäßer Stile führen würde, während Sombart vor allem darauf verwies, dass das erzieherische Programm des Werkbunds zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sei.[3] Christian Demand stellte 2016 rückblickend fest, dass „der missionarische Furor, der die Aktivitäten des Werkbunds über Jahrzehnte begleitete, […] Anfang der 1970er Jahre mit der ernüchternden Einsicht [abklang], dass in einer auf allen Lebensgebieten sich zunehmend pluralisierenden Gesellschaft, deren Mobilität und Wohlstand, deren Wünsche und technologische Möglichkeiten ständig expandierten, selbst unter Fachleuten schlicht kein verbindlicher ästhetischer Konsens mehr herzustellen war.“[1]
Geschichte
- 1907 Gründung des Deutschen Werkbundes in München
- 1914 Ausstellung: Kölner Werkbundausstellung
- 1924 Ausstellung: Industrielle Formgebung in Berlin (Die Form)[4]
- 1925 Herausgabe der Zeitschrift Die Form (bis 1934)
- 1927 Ausstellung: „Die Wohnung“ Industrielle Formgebung in Stuttgart (Weißenhofsiedlung)
- 1929 Ausstellung: Industrielle Formgebung in Breslau (WUWA)
- 1929 „Film und Foto“-Ausstellung in Stuttgart (avantgardistischen Fotografie der zwanziger Jahre).
- 1930: Ausstellung „Die Wohnung“ unter der Leitung von Walter Gropius in Paris
- 1932 Ausstellung: Werkbundsiedlung Wien
- 1933 Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten
- 1938 Auflösung
- 1947 Neugründung nach föderalistischem Prinzip mit acht Landesbünden in Rheydt
- 1949 Ausstellung „Neues Wohnen“ und die „Gute Form“ in Köln
- 1952 Herausgabe der Zeitschrift Werk und Zeit (bis 2007)
- 1972 Gründung des Werkbundarchivs als Museum der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts im Martin-Gropius-Bau in Berlin